Carmen Cabert Steiner

Dr. Stefanie Dathe 1998

Material und Technik

Die Malerei fasziniert Carmen Cabert seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr. In ihr findet sie jenseits unserer begrenzten verbalen Kommunikationsmöglichkeit ihre Sprache, Gedanken, Gefühle und Ideen auszudrücken. Doch auch verschiedene andere Arbeitstechniken hat sie in ihrer künstlerischen Laufbahn im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen ausgelotet. Heute bestimmen die Collage unter Verwendung der unterschiedlichsten "objets trouvés", das zeichnerisch überarbeitete Aquarell in Acryl- und Gouachefarben auf Chromolux-Papier sowie die gestische Abstraktion Carmen Caberts Bildsprache. In zwei- oder mehrteiligen Werkgruppen erarbeitet sie einen breiten Variantenreichtum zu einem gewählten Bildthema.

Carmen Caberts jüngste Bilder auf Malplatte werden von Ausdrucksfarben und elementaren zeichenhaften Formen und Bewegungen vor oder in monochromatisch gefassten Bildfeldern beherrscht. Mitunter fehlen die Zeichen und eine linear unterteilte Bildfläche bleibt mit der Wirkkraft ihrer Farbmodulation auf sich alleine gestellt. Die Farbakzente der intuitiv gesetzten Zeichen stehen stets in einem auffallenden Kontrast zur Grundfarbe der Bildfläche. Carmen Cabert erkennt in den farbigen Grundtönen ihrer Bilder eine suggestive Wirkungsebene, die sie gezielt einsetzt.

Bildsprache und künstlerisches Anliegen

Es sind Bildzyklen, entstanden aus der lang währenden gedanklichen Auseinandersetzung mit einem Thema, die Carmen Steiners Oeuvre prägen und ausmachen. Selten sticht ein inhaltlich und formal unabhängiges Einzelstück heraus. Titel zu jenen Serien wie "Bewegung" und "Öffnung", "Poesie zwischen Dir und mir", "Gedankenquellen" und "Levitation" sprechen von tiefgehenden emotionalen und intellektuellen Vorgängen und Auseinandersetzungen. Immer wieder beschäftigt Carmen Cabert die grundlegende Frage nach dem 'Dazwischen', nach den Zwischenräumen zwischen den Gedanken. Was passiert intuitiv, unter- oder sogar unbewusst in diesem Vakuum? Gibt es diese Zwischenräume überhaupt? Welche Rolle spielen sie in unserer Welt, unserem Leben, unserer Kommunikation? Wie beeinflussen sie unser Denken und Handeln?

Auf der Suche nach der künstlerischen Antwort auf ein hierin verborgenes metaphysischphilosophisches Grundproblem bewegt sich Carmen Cabert in ihrer Arbeit zwischen Zufall und Vorsehung. Vorgefasst ist die Idee, die Vorstellung vom Bildmotiv, das sie realisieren möchte, doch der malerische Weg dorthin bleibt offen. Er ist die unvorhersehbare Komponente, die vorgefasste Idee bleibt Ursprung und Ziel. Abstraktion und Realistik stehen dicht nebeneinander und ergänzen sich zu einem untrennbar Ganzen - Abstraktion und Realistik als Spiegel unserer unbewusst - emotionalen und bewusst - rationalen Gedankenwelten.

Trotz aller thematischen Bildzyklen ziehen sich repetitive Symbole wie ein roter Faden durch viele Phasen in Carmen Caberts Werk. Die 8 als Zeichen des Absoluten, Unendlichen sowie die V-Form als Symbol für Sieg und Frieden und erotische Metapher seien hier ebenso genannt wie die Zahlen 0 und I. Ungegenständlich Wahrgenommenes wandelt sich zu konkret fassbarem. Menschliche Kopf - und Körperformen werden in den "Gedankenquellen" vom Betrachter erkannt und doch wieder verworfen. Organischvegetabile Formen und Bewegungen in den "Öffnungen" wecken Erinnerungen an körperliche Zellstrukturen und Nervensynapsen, um doch wieder zu malerischen Chiffren reduziert zu werden. Als intensive Farbakzente illustrieren sie nicht nur pulsierendes Leben, sondern suggerieren auch räumliche Tiefe und Strömungsbewegungen. Ihre Verteilung auf dem Malgrund variiert zwischen zufällig - beliebig und schablonenhaft - korrekt.

In Carmen Caberts malerischem Werk findet sich keine streng organisierte, gesetzmässige und folgerichtige Formstruktur, keine berechenbare Flächenaufteilung, ganz im Gegenteil. In ihren zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion lavierenden Bildweiten setzt sie die Imagination des Unterbewussten unter der Zensur eines reflektierenden Intellekts direkt ins Bild um. Die spontanen Gesten, als Psychogramme innerer Vorstellungen gedeutet, finden in der Bildsprache Carmen Caberts mit bewusst gesetzten zeichnerischen und figurativen Elementen zu einer ungewöhnlich dynamischen Synthese. Während Carmen Cabert in der Farbgewalt und den intuitiven Bildanordnungen die emotionalen Komponenten ihrer Malerei ausleben kann, entwickelt sich die endgültige Formgebung über die inhaltliche Bildintention. Intuition und Assoziation werden zu den bestimmenden Ordnungsprinzipien der Malimpulse.

Und letztlich bleibt die Ungewissheit - sei es in der geheimnisvollen Wechselwirkung der Symbole und Formen, sei es im Zusammenspiel der Gedanken und Inhalte - ein von Carmen Cabert Steiner thematisierter Grundzug unserer Existenz.