Die wiedergefundene Zeit

Dr. Lothar A. Blum, Kunstkritiker 2008

Aschebild

Durch den Akt des Verbrennens von Gemälden und Zeichnungen der Künstlerin Carmen Cabert, dem Einsammeln der Asche und Übertragen derselben auf eine neue Leinwand entsteht eine einzigartige Verdichtung von Vergangenheit in Gegenwart, entsteht ein Aschebild.


Die wiedergefundene Zeit

Eingebettet in Zeit sind wir. Unentrinnbar dem körperhaften Jetzt unterworfen sind wir. Vorher und Nachher haben nur geistige Eigenschaften, der Sprung ins Körperhafte wird ihnen nie gelingen. Einerseits sind sie auf ewig verurteilt schon gewesen zu sein und andererseits noch nicht da zu sein, doch nie gelingt Vergangenheit und Zukunft die Verschmelzung mit ‚begreifbarer’ Gegenwart.


Carmen Cabert versucht den Spagat in Sachen Zeit und hievt die Vergangenheit ins Jetzt. Sie materialisiert und verdichtet in ihren Aschebildern. Mir scheint hier liegt einer der seltenen künstlerischen Glücksfälle vor, wo dem gestalterisch Schaffenden der Wandel vom Einzigartigen zum Allgemeinen gelungen ist, ohne das Eine zugunsten des Anderen gänzlich aufzugeben. So wie aus Hahnenfuß, Löwenzahn, Rispengras, Spitzwegerich, Kuckucksblume und anderen das Allgemeine, nämlich eine Frühlingswiese, wird, so schafft Carmen Cabert aus ‚Roter Regen heute Morgen’, ‚Niemals gelbes Blau’, ,Rastplatz Kuss‘ ‚War so nah’ und vielen anderen durch den Akt des Verbrennens eine Verwandlung zum Allgemeinen, sprich zum Aschebild. Mit der fast widersinnigen und umso mehr beeindruckenden Besonderheit, dass Vergangenheit und Gegenwart in Gleichzeitigkeit dargestellt werden.


Lebt man sich hinein in die Sehnsüchte, Überzeugtheiten, Selbstzweifel der Künstlerin, die das Entstehen der zuvor noch in ursprünglicher Form bestehenden Gemälde und Zeichnungen begleitet haben, kann man erahnen, welch gebündelte künstlerische Echtheit jedem der Aschebilder innewohnt.

Wer das Werk von Carmen Cabert verfolgt, weiss, dass man von ihr immer nur einen Teil zu sehen bekommt. Der Rest, ich will sagen das Wesentliche, ist gut behütet. Doch legt sie Spuren, gibt Hinweise für den Aufmerksamen ihr nachzufolgen in ein Reich voller sinnlicher Abenteuer, in dem es kein absolut Wahres gibt, in ein Reich randvoll mit Sichtweisen, die den Spurenleser begleiten können auf seinem Weg zu sich selbst.