Ein eigenwilliger Zugang zur Religion

Franz Keller, die Botschaft 25.10.04

Nur für kurze Zeit wird Carmen Cabert Steiner ihre Werke in der Galerie zum Elephanten präsentieren. Sie gibt damit eine interessante, sehenswerte Kostprobe ihrer eigenwilligen, kritischen Auseinandersetzung mit der Institution Kirche.

Im Kontext zur Schöpfung, über sieben Zeiträume,"sieben"Tage", hat sich die Schöpfung hingezogen. Als Krönung erschien der Mensch, der vom achten Tag an die Welt gestalten und sie mit Leben erfüllen sollte. Diesen Auftrag hat er nur unzulänglich wahrgenommen, und die Kirche als Sachwalterin des Schöpfers ist schon bald auf Abwege geraten und hat sich vornehmlich als menschlicher Machtapparat etabliert. So sieht es die Künstlerin, und so setzt sie ihre Überzeugung aus der Haltung der Betroffenheit subtil und mit eindrücklicher Orginalität um. Wer käme schon auf die Idee, zu diesem Zweck auf Bibeleinkauf zu gehen. Nicht bei den neuesten Ausgaben und auch nicht bei den exklusiv antiquarischen. Nein, die gewünschten Exemplare findet Carmen Cabert bei den Volksausgaben des 19. und 20.Jahrhunderts. Bücher ,die etwa aus Haushalt Liquidationen im Korb der antiquarischen Billigangebote landen. Die vielen ihr bislang unbekannten Bibeltexte erschliessen der Künstlerin eine neue Sicht auf die religiösen Zusammenhänge.

Das alte Testament als künstlerischer Impuls - Carmen Cabert Steiner stösst auf die Psalmen und auf das "Hohe Lied" des Königs Salomon, auf Text von dichter Sinnlichkeit und starker Emotionalität. Sie greift einige Stellen heraus und formt sie zu Schrifttafeln. Beispielsweise mit " Oh,dass er mich tränke mit den Küssen seines Mundes, deine Liebe ist süsser als Wein". Da bekommt die Bibel eine Ausdrucksvielfalt, in dem das allzu menschliche Leben mit allen Höhen und Tiefen Platz findet, wo geballte Leidenschaft sich entfalten kann, wo dem spielerischen Umgang mit Form und Farben kaum Grenzen gesetzt sind, wo die kreative Fantasie stets neue Möglichkeiten auszuloten imstande ist. Alle diese Elemente machen das Werk von Carmen Cabert Steiner aus. Die Bandbreite reicht sehr weit. Buchseiten der Bibel können unmittelbar zu Gestaltungselementen werden. Sie werden zerknüllt, zu Kugeln geformt und mit dem Titel "Geballte Macht" in ein Konservenglas eingeschlossen. Da geht es im wahrsten Sinne des Wortes ans Eingemachte, der gedankliche Querbezug zum Missbrauch mit Bibelworten ist nahe liegend. Der Bogen der ausgestellten Bilder reicht auch von kleinen skizzenartigen Bleistiftzeichnungen bis zu grossflächigen Werken in Acryl. Die Ersteren - in Frottagetechnik erstellt - wirken verhalten, schon fast verträumt mit unerwarteten Themenvariationen. Die Zweiten kommen sehr impulsiv daher, oft in einem fast schreienden Rot ausgeführt, mit zügigen raumgreifenden Bewegungen, die buchstäblich über die Bildfläche hinaus drängen. Überraschend ist auch der Einbezug ungewohnter Materialien. Die angesengten Bretter einer Brandstätte liefern mit ihrer schwarzen Oberflächenstruktur das Gestaltungsmaterial für Themen der Liebe, des Windes und er Sternenwelt.