Ihr "Achter Tag"

Ursula Meier-Hirschi Aargauer Zeitung 24.10.04

Carmen Cabert ist keine einfache Künstlerin, keine , die das Schöne und das allgemein als beständig Hingenommene malt, sondern eine Frau, die hinterfragt und zweifelt und ihre Fragen an die Betrachter ihrer Werke weitergibt. Sie werde mit dem von ihr aufgegriffenen, während Monaten bis zu Jahren verfolgten Thema eins, sagt sie nehme es völlig in sich auf, trage es mit sich herum, denke über die Zusammenhänge nach, um darauf ihre Visionen selbstständig aus sich heraus zu produzieren, sie einerseits zu filtern und andererseits zu verdichten. "Am achten Tag" nennt Carmen Cabert ihren neuen, in der Galerie zum Elephanten gezeigten Werkzyklus. Sieben Tage waren für die Erschaffung der Erde notwendig. Von einem achten Tag jedoch steht nirgends etwas, diesen achten Tag hat sich die Künstlerin gewissermassen erschaffen und für ihre neuste Auseinandersetzung zu Eigen gemacht. Er ist ursprünglich leer und jungfräulich, nicht besetzt von unseren biblischen Vorstellungen. Carmen Cabert Steiner entdeckt in ihm die innere Freiheit, losgelöst von allen Zwängen und Konventionen. Er öffnet der Denkerin und Künstlerin Wege zu neuen Gestaltungsmöglichkeiten. Ihr Verhältnis zur Kirche ist, wie jenes vieler Zeitgenossen, gespalten. Verlogenheit, Unterdrückung und Machtmissbrauch schmerzen sie, rufen Widerwilligkeit und Widerstand hervor, während sie um die Güte, die Spiritualität, die kleinen tröstenden Gesten weiss, die eine Religion suchenden, annehmenden Menschen entgegenbringen kann.

Fragen und Respekt - Auf Flohmärkten und in Brockenhäusern trug Carmen Cabert Bibeln und Kirchengesangsbücher zusammen als Werkmaterial für ihren neuen Zyklus. Sie las, staunte, vertiefte sich ins "Hohe Lied" in weitere Texte des Alten Testaments. Sie trennte Buchseiten und ganze Bände heraus. Sie übermalte, zerknitterte, ballte verkleisterte, strich heraus und setzte neue, ungewohnte Akzente, zum Beispiel: das gesamte Neue und Alte Testament in vier Bildern "verpackt" das ganze Wissen um das Leiden und Leben auf Erden als Vorbereitung auf das Leben im Jenseits in Aluminiumschachteln konserviert, um sich und sein Verhältnis zu "Gottes Wort", wohl bemerkt von Menschenhand aufgeschrieben, zu überdenken und aus einer neuen fragenden Perspektive zu überblicken.

"Das Hohelied" - neu inerpretiert - Carmen Cabert Steiners Gedankengänge und die daraus resultierenden philosophischen Fragestellungen nach Leben und Tod, Lebensfreude und Trauer, nach diesseitigem Dasein und der Vergänglichkeit kommen in lodernden Bildideen, in feinsten Zeichnungen und in geheimnisvollen Objekten zum Ausdruck. Und auch dieser liebe- und respektvolle Umgang mit der Volksfrömmigkeit sei erwähnt: Carmen Cabert hat alle Lesezeichen und Souvenirs, die sie in den Bibeln und Gesangbüchern gefunden hat, sorgsam gesammelt und zum Teil in ihre Arbeiten eingeschlossen.

Am kommenden Sonntag um 17 Uhr laden die Galerie und die Künstlerin zu einer sinnlich Lesung mit Musik (Mitja Huter am Keybord) ein. Die beiden Laienschauspieler Heidi und Reto Huter und Carmen Cabert Steiner interpretieren "Das Hohelied der Liebe " gestern und heute.......