Laudatio

Peter Killer Kunstkritiker und Dozent ZHDK 2008

Einen ganz andern Bezug zur Zeit, zu Chronos, hat Carmen Cabert Steiner. In ihren Text-Foto-Arbeiten oder Foto-Text-Arbeiten geht es um Augenblickliches. Der Fotoapparat hält in Sekundenbruchteilen etwas fest. Und die Texte spiegeln eine momentane Gefühlslage. Das Impulsive, Spontane, Emotionale ist der Quell des Gestaltens. Das Resultat sind farbige, vitale, und gleichzeitig auch geheimnisvolle, hintergründige Foto-Textkombinationen.

Zum Teil überschneiden sich diese Arbeiten mit der zweiten Werkgruppe, die hier zu sehen ist. Mit ihren Michelangelo-Auseinandersetzungen. Die Künstlerin ist in den Besitz von grossformatigen wunderschön gedruckten, in den Ramschverkauf gelangten Bildbänden über die Michelangelo-Fresken in der Sixtina gekommen. Carmen Cabert ist also nicht nur eine Künstlerin des Augenblicks, sie wird auch von einer Zeit bewegt, die 500 Jahre zurückliegt. Michelangelo ist für sie ein treuer Begleiter geworden, ein Begleiter, den sie verehrt, aber dem sie auch mit unbekümmerter Respektlosigkeit begegnet. Sie übermalt die Reproduktionen, sie benutzt sie als Rohmaterial für Grattagen, Frottagen und Zeichnungen. Sie eignet sich Michelangelo an, macht etwas Eigenes, Subjektives aus etwas Klassischem, Allgemeinbesitz Gewordenem.