Nacktschneckenmuseum in Bonstetten

Projekt an der Schnittstelle zwischen Kunst und Natur

Carmen Cabert Steiner hat sich jahrelang über die gefrässigen Nacktschnecken geärgert. Dann hat sie sich angepasst und nur noch schneckensichere Pflanzen im gossen Garten am Waldrand angepflanzt. Und jetzt lädt sie die Schnecken explizit ein, ihre Kunstwerke zu vertilgen.

Von Regula Zellweger

Wer dem Ämtlerweg vom Bahnhof Bonstetten-Wettswil Richtung Islisberg folgt, gelangt nach dem Überqueren der Kantonsstrasse bei der Baumschule Lüscher zu erstaunlichen Installationen. Im Haus am Waldrand wohnt Carmen Cabert Steiner mit ihrem Mann. Bekannt ist sie durch die weiss bemalten Baumstrünke im Bachtobel bei ihrem Haus und am Türlersee. Sie fasst den Begriff Kunst weit, ist offen und vieles ist möglich. So jetzt das Nacktschneckenmuseum in ihrem Garten, dem man dem Begriff "Landart" zuordnen kann.

Verständnis der Kinder
Eine Klasse aus Bonstetten interviewte Carmen Steiner generell zum Thema Kunst. Bereitwillig beantwortete sie die Kinderfragen und zeigt ihnen das Nacktschneckenmuseum im Garten. Zeichnungen und Gemälde liegen im Gras - daneben Salat und Küchenabfälle, um die Schnecken anzulocken. Schleimspuren verraten, wo die Schnecken unterwegs waren.
Die Künstlerin erklärt den Kindern, wie sie zu diesem Projekt kam: "Ich habe Nacktschnecken gehasst. Dann habe ich mich genauer mit ihnen befasst und recherchiert. Ursprünglich war die rote Wegschnecke bei uns heimisch. Sie wurde aber von der Spanischen Wegschnecke, die ähnlich aussieht, weitgehend verdrängt. Diese ernährt sich von saftigen Pflanzen und Aas - auch von toten Artgenossen. Sie räumt eigentlich im Garten auf. Und offensichtlich passt sie sich schneller an, produziert beispielsweise bitteren Schleim, den Igel und Kröten nicht mögen. Der Schleim soll zäh sein, weshalb sie für Enten keine Delikatesse mehr sind."

Vom Gruseln zum Interesse
Indem sich das Gruseln in Interesse verwandelt, änderte sich die Einstellung. Ein weiterer Impuls für das Nacktschneckenmuseum war eine Fernsehsendung, die aufzeigte, dass Elemente aus dem Plastik in unseren Meeren die Fische verändert. Heute wird untersucht, wie sich diese chemischen Bestandteile auf Menschen, die häufig Meeresfische essen, auswirken.
Bereits der Gastrosoph Jean Anthelme Brillat-Savarin formulierte anfangs des 19. Jahrhunderts: "Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist".
"Mich interessierte, was geschieht, wenn die Schnecken meine Kunst fressen, damit den Garten düngen und ich wiederum den Salat mit den Atomen esse, die auch in meinen Bildern drin waren. Auf der Welt ist alles irgendwie letztlich eins."
Die Kinder hatten diese Zusammenhänge begriffen, was Carmen Cabert Steiner Mut machte, das Projekt weiter zu entwickeln.

Internet und Fotos
Als Künstlerin nutzt Carmen Cabert Steiner das Internet. Unter www.carmencabert.ch findet man Fotos vom Nacktschneckenmuseum. Zudem lädt sie zum Weitererzählen einer Schneckengeschichte ein.
Leute, die den Ämtlerweg wandern, bleiben stehen, bewundern die Installationen, lassen sich in ein Gespräch über Nacktschnecken verwickeln, nehmen die Sache erstaunlich ernst und zeigen neue Zusammenhänge auf. Das Thema Fremdheit taucht auf, es sind ja Spanische Nacktschnecken, die hier eigentlich nichts zu suchen haben. Vergänglichkeit ist ein Thema, Entstehen und Vergehen und Schneckenkörner - und Umweltfragen werden mal anders angeschaut.
Carmen Cabert Steiner sieht Kunst als Werkzeug, um Menschen für ein Thema zu sensibilisieren. "Kunst ist nicht nur da, um sie an die Wand zu hängen." Bereits hat sie die Vision von weiteren Nacktschneckenmuseen an öffentlichen, gut besuchten Orten.