Tisch 10 - Lothar A. Blum/Text


Nacktzehig stecken seine Füße im Morast. Ein gezögerter Schritt vor und Schlamm quillt durch seine Zehen. Zersetztes botanisches Gelb, etwas Grün und Schlammfarbe streichen über, - bedecken. Winzige, langgezogene Adern, Schlammadern, denkt er. Wohl die Einbuchtungen der Zehengelenke, denkt er ... Vielleicht Brodkey oder Hemingway, möglich sogar Pollock, ganz sicher Monet, aber keineswegs Warhol, Koons oder Grass ... Etwas weiter oben: der Südwester lässt Pappelblätter klipp-klappen, die Unterseiten blinken silbrig, verlangen nach jedem Blick ... Woanders: Satt, beinahe geborgen fügt sich Hintern und Rücken in die Sitzschale des neuen Mercedes 500 SL, mit bordeauxrotem Streifen ... Und ebenso: "Sie wird vernichten, die Globalisierung, für - welch magere Entschädigung - effiziente Bewegungsunfreiheit". Ein brusttiefes letztes Wort der Dame vis à vis. Kontaktlinsen, nervöser rechter Ringfinger und überdurchschnittliches Atemholen.

Das war gestern (natürlich auch heute und wird auch morgen sein, aber nicht vor diesem Tisch, dem da, der Aschebilder, die die Zeit binden, für Dich und Deine gegenwärtige Bewusstheit). Der Tisch davor, eben jener da oben, der von Zehen,
Sitzen und brusttiefen Wörtern handelt, es gab ihn und wird ihn immer geben, zumindest, na ja, solange wir nicht die hormonelle Gebundenheit mittels Verstand überwunden haben. Ich meine, bis sich Gewissen und all solches Zeugs von selbst auflösen, verschwinden, inexistent werden und die Künftigen schon zu ganz Alten greifen müssen, sagen wir zu Dostojewski und gewaltiger empathischer Künste bedürfen, um in die Lebenswirklichkeit der Altvorderen, eben uns, den Jetzigen, nahe zu sein. Der gestrige Tisch, der unsichtbare, aber erahnbare, köderte mit dem Rot des Eros, dem Schwarz der Würde, dem Gelb des überlauten Schreis... Verschwunden, weg. Es ist ruhig geworden.

Ziere Dich nicht. Nimm Platz. Streiche alles raus, leere Deinen Kopf. Lass das 'Gebundene Gewesene', die Asche, sich ausbreiten. Ja, ja, nur zu, bis nichts anderes mehr vorhanden ist. Vergiss Dein beiges Kleidchen, die gefloppte Facebook Aktie, die letzte rote Ampel …………………………………………………... ..........................................................................................................................................................................................................................Es gibt ihn, den dritten Tisch. Den danach (Wäre Dante nicht tief gestiegen, wohl bleich die Höhe der Engelschöre). Dieser Tisch ähnelt dem ersten. Ähneln, was sage ich, er ist 'tupf glich'! Einzig ein zartes, überdauerndes Lächeln von Dir zeugt von Deinem 'Ascheweg'…

Lothar A. Blum