Tisch 4 - Simon Chen/Text


Der neurotische Kunstliebhaber, dem schon vor Jahren ein Anker aus dem Salon gestohlen worden war und deshalb in grosser Angst lebte um seinen Hodler, den er für ein Vermögen erstanden hatte, erzählte, dass er sich vor kurzem schweren Herzens dazu entschlossen habe, das Gemälde („Der Niesengipfel vom Heustrich aus„ , Öl auf Leinwand) für den Kunstmarkt und somit für potentielle Kunstdiebe unattraktiv zu machen. Der Hodler stehe nun für alle Ewigkeiten konserviert auf dem Kaminsims, knapp neben der Stelle an der Wand, wo er früher gehangen hatte.

Die extravagant gekleidete Dame hatte einen pelzigen Geschmack auf ihrer Zunge und war sich nicht sicher, ob dieser von der kuriosen Vorspeise herrührte („Phall’ de foin sur lit de lapin“) oder von der Fellatio, die sie ihrem Tischnachbarn zu ihrer Linken keine halbe Stunde vorher auf dem Klo hatte angedeihen lassen.

Ein etwas aufdringlicher und auch übelriechender Gast hatte die Tafel zur Erleichterung der übrigen bereits verlassen. Der Spruch auf der Rückseite seiner Tischkarte besagte trocken:

Es gibt Gäste, welche Zapfen haben und ihre Qualität erst im Abgang entfalten...

Der Galerist war trotz seines nicht mehr ganz jugendlichen Alters das, was man als ‚Bild von einem Mann’ bezeichnete. Seine elegante Erscheinung passte perfekt in den festlichen Rahmen. Sein edler, schwarzer Anzug jedoch kontrastierte auffällig mit seinem leicht verschwitzten und geröteten Gesicht.

Befriedigt stellte er aber fest, dass die Frau neben ihm tat, als wäre nichts gewesen.

Simon Chen